17. Dezember 2018

Guten Morgen, Limonade!

Der heiße Sommer scheint inzwischen schon lange her. Zu den schlimmsten Zeiten hatte ich zum Glück ein paar Tage frei und konnte die Biografie Astrid Lindgren – Ihr Leben von Jens Andersen (in der Übersetzung von Ulrich Sonnenberg) lesen. Inzwischen ist Winter, und ich freue mich über seltene Sonnenstrahlen.

Eine Freundin, die eine noch größere Lindgren-Verehrerin ist als ich, hat mich schon vor ein paar Wochen auf den Film Astrid aufmerksam gemacht, und im Trailer habe ich einiges – oder alles – aus dem Buch wiedererkannt, aber hey, Alba August spielt die junge Astrid Lindgren, und Alba August spielt bereits die Hauptrolle in der Netflix-Serie The Rain einfach umwerfend.

Tatsächlich beschränkt sich der Film – mit Ausnahme eines eigentlich vollkommen überflüssigen Rahmens, in dem eine alte Astrid Lindgren Geburtstagswünsche ihrer kleinen Leserinnen und Leser liest –  auf einen frühen Ausschnitt in ihrem Leben, in dem sie noch gar nicht schreibt, aber dafür lernt, dass man nicht allzu viel geben soll auf die Meinung der Gesellschaft und dass die Liebe zu einem Kind größer ist als alles andere.

Bullerbü-Atmosphäre kommt dementsprechend nur selten auf, auch wenn die hellen Momente des Films genauso berühren wie die dunkelsten. Die 16-jährige Astrid tanzt, als sie niemand auffordert, eben ganz allein und ähm … ausdrucksstark, steht danach um Mitternacht mit ihrem Bruder auf der verschneiten, verlassenen Straße und brüllt „Guten Morgen, Limonade“. Familie Lindgren arbeitet auf dem Feld und die religiös-strengen, aber dennoch liebevollen Eltern beginnen mit einer Kartoffelschlacht, von der sich die Kinder natürlich sofort anstecken lassen. Oder Astrid lässt sich die Haare schneiden („Die moderne Frau“, stand in der Zeitschrift) und auf dem Fahrrad den Wind um den freien, wilden Kopf wehen.

Alba August gelingt es, die rebellische junge Frau, aus der schon früh die Kreativität sprudelt und die ganz genau weiß, was sie will – und sei es skandalöserweise ein Mann –, genauso überzeugend darzustellen wie die düstere, brütende, die ihre Gefühle nicht zeigen kann oder will, nur um dann doch vor lauter Hilflosigkeit und Frust ihre Eltern anzubrüllen. In diesem Film purzeln enorm viele Emotionen durcheinander, aber wie sollte es auch anders sein, wenn ein Mädchen (denn sie ist ja fast noch ein Kind) ungeplant schwanger und damit plötzlich aus ihrem Leben herausgerissen wird?

Mehr möchte ich hier gar nicht verraten. Als Ende hat die Regisseurin Pernille Fischer Christensen sich einen Punkt ausgesucht, an dem Astrid erst einmal verschnaufen kann, da sich doch alles zum Guten zu wenden scheint. Wer jedoch die Biografie gelesen hat, weiß, dass noch einiges auf sie zukommt. So gesehen ist der erwähnte Rahmen mit der alten Astrid vielleicht doch nicht ganz überflüssig, denn er zeigt, dass sie es auf jeden Fall irgendwie geschafft hat – und vermutlich noch lange als eine der besten Kinderbuchautorinnen der Welt gelten wird.