16. Mai 2017

Sag doch mal was

Matthias Teigiger studiert Altorientalistik. Gerade hat er seinen Bachelor abgeschlossen. Statt im Master noch etwas anderes auszuprobieren, sich breiter aufzustellen, bleibt er dabei. Wie soll man auch Altorientalistik studieren, wenn nicht mit Leidenschaft.

Vor einigen Jahren, beim Frühstück in einem isländischen Bed and Breakfast, unterhielt ich mich einmal mit einem Altorientalistik-Doktoranden aus Berlin, ein leuchtendes Beispiel für einen Mansplainer, der sein Dozieren nur unterbrach, um sich die Nase zu putzen und den Taschentuchinhalt ganz genau zu inspizieren. Diesen Augenblick nutzte ich, um aufzustehen – „ich hol mir noch nen Joghurt“ – und nicht mehr wiederzukommen. Noch beim Zähneputzen zurück auf dem Zimmer schüttelte es mich. Vor Lachen. Und Ekel.

Matthias Teigiger ist anders. Er schaut ein bisschen nerdig aus mit seiner großen Brille und einem schlecht sitzenden Pulli. Darunter rutscht ihm das T-Shirt aus der Hose. Ich will ihn am liebsten ordentlich machen, die Brille putzen und ihn dann hinaus in die wirkliche Welt schicken. Aber dann gehen wir nur einen Kaffee trinken. Das kann man ganz gut mit ihm. Kein Mansplainer. Ist auf dem Dorf aufgewachsen und spricht ganz leichten Dialekt, in den er bestimmt zurückfällt, wenn er heimfährt. Als ich ihn frage, lacht er und bestätigt meine Vermutung.

Und ist, glaube ich, ganz froh, dass ich ihn nicht um eine Kostprobe bitte. Das ist ja auch furchtbar. „Isländisch sprichst du? Dänisch? Echt? Sag doch mal was!“

Sag doch mal was! Ich sollte am besten immer einen Satz parat haben, der den Fragenden aufs Übelste beschimpft. Auf Isländisch versteht das ja niemand auch nur in Ansätzen. Und wenn der Fragende fragt, was ich gesagt habe? „An der Tankstelle gibt es Limo und Würstchen zu kaufen“?

Für Matthias Teigiger mit seinem Bayrisch ist das aber vielleicht doch nicht angebracht. Bayrisch klingt zwar komplett verrückt, aber meist versteht man ja doch noch ein bisschen. Selbst als Zugereiste. Meist. Manchmal. Kommt drauf an. Auch auf die Art des Dialekts. Ich würde schon gern wissen, wie er klingt.

„Sag doch mal was“, fordere ich ihn auf. „Schimpf doch mal was in deinem Bayrisch.“

„Naaa.“ Er grinst und greift nach der Tasse. Filterkaffee hat er bestellt, ohne Milch, aber mit viel Zucker. Ein Päckchen hat er, nicht ganz leer, zurück auf den Unterteller gelegt, und die restlichen Zuckerkristalle haben sich über den wackelnden Tisch verteilt.

Ich schaue ihn an, lege den Kopf schief. „Ach, komm …“

Er wird rot und gleich darauf genervt, schüttelt die Röte weg. „Vielleicht später.“

Es herrscht eine peinliche Stille. Er trinkt seinen Kaffee und stippt die Zuckerkrümelchen auf. Ich schaue die anderen Cafébesucher an, das Kinn auf die gefalteten Hände gestützt. Wir brauchen ein neues Gesprächsthema. Ich frage ihn nach seinem Studium. Was genau man eigentlich lernt, als Altorientalist. Und natürlich was man damit anfangen kann. Welche Gebiete und Sprachen dazu gehören. Er zählt sie auf, und ich sage: „Und kannst du die nur lesen? Oder auch richtig sprechen? Sag doch mal was auf Assyrisch.“