21. Dezember 2018

Gegen den Strom

Ich war schon wieder im Kino. Gerade, als ich den Titel dieses isländischen Films hingeschrieben habe, ist mir erst seine Doppeldeutigkeit aufgefallen. Denn die scheinbar so brave, 49-jährige Chorleiterin Halla (Halldóra Geirharðsdóttir) schwimmt nicht nur gegen den Strom, sie kämpft auch gegen den Strom. Beziehungsweise gegen die in- und ausländischen Investoren, die mit ihrer Gier nach billigem Strom das Land kaputt machen. Schon bald gilt sie nicht mehr als Heldin, sondern als gefährliche Terroristin, wird in den Medien verunglimpft und von der Polizei verfolgt. Das will sie nicht auf sich sitzen lassen und legt noch einen Zahn zu. Dabei bekommt sie Hilfe von ihrer Zwillingsschwester Ása und ihrem (vermutlichen) Cousin dritten Grades, Sveinbjörn. Als wäre das nicht schon genug der Aufregung, erhält sie, nachdem sie schon vor vier Jahren den Antrag gestellt hatte, ganz plötzlich von der Adoptionsbehörde Bescheid, dass in der Ukraine ein kleines Mädchen auf sie warte.

Wie soll man denn gleichzeitig (äußerst fachkundig!) Strommäste umsägen und Mutter sein? Das Ende bleibt erst einmal offen und, ehrlich gesagt, auch etwas rätselhaft. Ich hoffe allerdings für Halla, dass sie, sobald sie das Kind bei sich in Island hat, weiterkämpfen wird. Jemand muss doch die Insel noch retten.

Von Menschen und Pferden war 2013 das Spielfilmdebüt von Benedikt Erlingsson, mit Gegen den Strom hat er einen würdigen Nachfolger geschaffen, in dem der spanische Tourist von damals immer noch mit dem Fahrrad auf der Insel herumirrt. Dann tritt noch Jón Gnarr als Präsident auf – eine Rolle, in die er im wahren Leben ja leider nicht schlüpfen will. Interessant sind außerdem die Musiker: ein männliches Trio aus Tuba-, Akkordeon- und Schlagzeugspieler sowie später ein weibliches aus drei Frauen in ukrainischer Volkstracht sind fast durchgängig im Bild – stehen im Hintergrund, während Halla über die Berge wandert, oder in ihrer Wohnung in einer Ecke, als sie ratlos die Fernsehbilder verfolgt.

Manchmal lässt Halla sich einfach so in die Landschaft fallen und legt ihren Kopf ins weiche Moos. Ich glaube, das sollten wir alle ab und zu machen, um uns ganz genau anzuschauen, was für eine wunderschöne Natur wir eigentlich zerstören.