11. Juni 2019

Göthe hatte Thränen in den Augen

Diese wunderbare Meldung stammt aus der Bayreuther Zeitung vom 6. August 1818:

Screenshot einer in Fraktur gedruckten Zeitungsmeldung mit dem Zitat "Göthe hatte Thränen in den Augen"

Deutschland. Carlsbad, 6. August. Diesen Nachmittag fand eine recht interessante Scene beim Fürsten Joseph Schwarzenberg, wo eine zahlreiche Gesellschaft zu Mittag gespeist hatte, statt. Die Gräfin Bombelles (Ida Brun), Gemahlin des Kaiserl. Oesterreichischen Gesandten am Dresdner Hofe, sang außerordentlich schön und entzückte alle Anwesenden, als die Thüre sich öffnete, und Mad. Catalani hereintrat. Die Gräfin wollte nun durchaus nicht weiter singen; Mad. Catalani bestand darauf mit recht liebenswürdiger Manier. Es ging also vorwärts; die schöne Ida gewann ihre Zuhörer immer mehr und mehr; unter Andern war Göthe gegenwärtig und ganz hingerissen. „Wir sind diesen Tönen näher verwandt, sagte er, es „ist das deutsche Herz, das uns entgegen klingt.“ Die Gräfin Bombelles, selbst gerührt durch den Eindruck, den sie machte, sang nun bezaubernd, und stimmte entlich, von ihrem Gemahl auf dem Clavier begleitet: „Kennst du das Land,“ an. Die ganze Gesellschaft wurde lebhaft ergriffen; Göthe hatte Thränen in den Augen. Jetzt fing Mad. Catalani an, sich unheimlich zu fühlen; sie wurde blaß, und behauptete, es werde ihr übel. Auf einmahl lenkte sich nun das Interesse auf ihre Seite, obgleich eine unverkennbare Anwandlung von Eifersucht der wahre Grund ihres Leidens war. Die Gräfin Bombelles, von allen Herren und Damen unterstützt, bestürmte sie, ihre Stimme zu erheben. Sie sang eine italienische Romanze, aber schwach, fast schüchtern und höchst bewegt. Kein Applaudissement vermochte, sie wieder aufzurichten.