28. Januar 2019

Nachmacher

In vielen Schreibratgebern steht, dass Anfängerinnen sich ruhig erst einmal an Schriftstellerinnen orientieren sollen, die sie bewundern. Wenn es einem gelänge, deren Stil nachzuahmen, trainierte man das Schreiben und würde schließlich zu einem eigenen Stil finden. Ich fand den Gedanken immer seltsam und habe es nie versucht.

Deswegen war meine Überraschung groß, als ich neulich ältere Gedichte von mir las, in denen es mir ziemlich gut gelungen war, die Stimme von Ulla Hahn nachzuahmen, deren Liebesgedichte ich damals wieder und wieder gelesen habe. Neugierig habe ich mir eine Kurzgeschichte aus einer anderen Zeit angesehen, in der ich Salman Rushdie sehr mochte – nun ja, die Geschichte ist furchtbarer Mist, aber auch darin findet sich bis zu einem bestimmten Grad der Klang der Satanischen Verse und der Midnight’s Children.

Ich revidiere also meine Meinung. Vielleicht ist es wirklich eine gute Übung. Vielleicht (offensichtlich!) geschieht es aber auch ganz von selbst. Ich denke, dass ich inzwischen meine eigene Stimme gefunden habe. Aber fragt mich in zehn Jahren noch mal – wer weiß, auf wen ich dann in meinen Sätzen stoße!